Zinsanstieg in den USA: Aber keine KO-Tropfen von der Fed für die Finanzmärkte
Markus Gärtner
Die US-Notenbank (Fed) hat am Mittwochabend zum ersten Mal nach fast zehn Jahren die Leitzinsen angehoben. Doch die sogenannte »Zinswende« ist mit einer Anhebung um einen Viertel Prozentpunkt lediglich ein Minischritt, eine symbolische Maßnahme, die zwei Ziele erreichen soll: Erstens bleibt die Zinslatte der Fed nach sieben Jahren an der Nulllinie noch immer praktisch am Boden, die Geldschleusen werden keinesfalls geschlossen – kein bisschen sogar. Und zweitens gibt die Notenbank zu, dass die Ära der exzessiven Geldvermehrung jetzt endgültig keine Wirkung mehr zeigt, sie kann durch übertriebene Immobilien- und Wertpapierpreise nur noch mehr Schaden anrichten.
Die Fed spricht in ihrer Begründung von einem »graduellen« Anstieg der Leitzinsen. Damit signalisiert sie, dass alle weiteren Zinsschritte nach oben Zeit haben, dass keine Eile besteht. Das wiederum ist ein Eingeständnis, dass die Konjunktur in den USA zu schwach ist, um ernsthaft an der Zinsschraube zu drehen. Hier wird also nur für die Galerie gespielt.
Im Klartext bedeutet das: »Wir lassen die Zinszügel jetzt nicht mehr ganz so ultra-locker, aber gebremst wird der Gaul deswegen trotzdem nicht, denn sonst bricht er zusammen.« An den Börsen wurde mit einer Mehrheit von 80 Prozent genau diese Entscheidung erwartet. Deshalb gab es bei Aktien, Anleihen und Wechselkursen keine heftigen Reaktionen.
Die Gold- und Silberpreise kamen nach der Entscheidung der Fed kurzfristig unter Druck. Wenn die Geldschleusen sich nicht weiter öffnen, schadet das den Edelmetallen, weil Inflation zumindest kurzfristig noch weniger wahrscheinlich wird. Doch im Verlauf der Börsensitzung in New York erholte sich der Goldpreis, weil von einer wirklichen Zinswende eben keine Rede sein kann.
Die Fed hat mit dieser Entscheidung gleich zwei Mal gebeichtet: Einmal, dass die stark abbremsende Weltwirtschaft eine deutliche Zinserhöhung nicht aushalten würde. Das ist ja auch der Grund, warum die Notenbanken in Frankfurt (EZB) und in Tokio in die umgekehrte Richtung marschieren wie die Fed, und den Ankauf von Anleihen, mit dem sie die Zinsen am Boden halten, noch ausweiten.
Zweitens beichtet die Fed, dass sie – was die Ankurbelung der Wirtschaft angeht – am Ende ihres Lateins ist. NOCH MEHR Geld im System kommt immer noch nicht dort an, wo Jobs geschaffenwerden, es versickert bei Banken und in Wertpapier-Geschäften, die eine kleine Geld-Elite bereichern, während alle kleinen Sparer sich immer weniger Wohnungen und Häuser leisten können, immer weniger Geld in den Taschen haben und für Kontoeinlagen sowie Lebensversicherungen fast nichts mehr bekommen.
Das bedeutet eine schleichende Enteignung, Wertverlust beim Geld und ein späterer Renteneintritt. Während sich viele Deutsche über die Rente mit 63 freuen, häufen sich im Staatshaushalt nicht ausgewiesene Verbindlichkeiten an. Und Millionen Deutsche müssen länger arbeiten, was höheren Steuern und einem Wohlstandsverlust gleichkommt.
Gemessen an der Schwäche der US-Konjunktur, die sich bis heute nicht von der Finanzkrise und der Großen Rezession von 2008 und 2009 erholt hat, hätte die Fed diese Zinsanhebung gar nicht beschließen dürfen.
Das sehen viele führende Ökonomen in den USA so. Es gibt immer noch »drängende Fragen zu den Wachstumsaussichten«, findet auch der ehemalige Finanzminister Larry Summers. Und Finanzmanager wie der Deutsche-Bank-Stratege Jim Reid, fragen sich, wie weit die US-Notenbank die Zinsen überhaupt anheben kann, bevor die nächste Rezession sie zu einer erneuten Lockerung der Zinszügel zwingt.
Für die Notenbanker ging es gestern Abend aber vor allem darum, nicht den völligen Rest von dem bisschen Glaubwürdigkeit zu verspielen, das noch geblieben ist. Schon zwei Mal war eine bereitsangekündigte Zinsanhebung vertagt worden.
Das erste Mal, als die Rohstoffpreise vor anderthalb Jahren schroff zu fallen begannen. Der Ölpreis hat seitdem 60 Prozent eingebüßt und ist von mehr als 100 Dollar je Barrel auf unter 40 Dollar gefallen. Gestern fielen die Öl-Notierungen nach Bekanntgabe des Fed-Entscheids gleich um vier Prozent.
Das freut die Autofahrer beim Tanken, aber nicht wenn sie bedenken, dass die verfallenden Ölpreise eine äußerst schwache Weltkonjunktur signalisieren. Das zweite Mal musste die Fed eine bereits angekündigte Zinsanhebung verschieben, als die Schwellenmärkte im Frühjahr und Sommer des laufenden Jahres einen Schwächeanfall bekamen.
Sollte der US-Dollar in den nächsten Wochen und Monaten wegen dieser angeblichen »Zinswende«, die mindestens für weitere ein bis zwei Jahre keine sein wird, weiter steigen, dann könnte das zu einem Flächenbrand in den stark geschwächten Schwellenländern wie China, Brasilien, Russland und Südostasien führen. Dort haben Zehntausende von Firmen Kredite in Dollar aufgenommen, die sie kaum noch tilgen können, wenn der Dollar noch stärker wird und immer mehr lokale Währung besorgt werden muss, um die Dollar-Schulden noch zurückzuzahlen.
Diese Lunte am Fass der Finanzmärkte dürfte der eigentliche Grund sein, warum die Notenbanker in den USA nicht den Mumm hatten, erstmals wieder an der Zinsschraube zu drehen UND gleichzeitig weitere Zinsschritte anzukündigen. Die Botschaft lautete daher gestern Abend ganz anders:»Hier habt Ihr Eure Zinssteigerung, liebe Finanzmärkte, aber mehr können wir uns vorerst nicht leisten.«
Das ist der Grund, warum die Aktien an der Wall Street fröhlich weiter stiegen, warum ein Aufschrei ausblieb und warum die Cheerleader der Wall Street gestern Abend in den TV-Sendungen des US-Fernsehens in die Kameras strahlten.
Die Fed hat etwas für die Galerie entschieden. Ein Kurswechsel sieht anders aus. Den Schaden haben weiterhin Sparer, Steuerzahler (weil Finanzminister sich fröhlich weiter verschulden) und die Empfänger noch nicht ausgezahlter Lebensversicherungen.
Die Wasserfolter braver Sparer geht jetzt sogar in die nächste Runde, weil die Preise für Gold und Silber darunter leiden werden, dass Spekulanten, Zocker und andere Groß-Akteure der Wall Street wieder mehr Geld in Aktien stecken. Der Anlagenotstand für Millionen kleine Sparer verschärft sich noch, während Politiker in Ruhe das Bargeldverbot vorbereiten und die letzten Auswege aus derGeld-Repression verbauen.
Die Party des einen Prozents geht mit dem Segen der Fed also fröhlich weiter. Alle anderen müssen sich NOCH länger gedulden, bis sich ihre Aussichten wieder verbessern. Und da rätseln deutsche Leitmedien noch, warum die hiesigen Sparer und Steuerzahler so missmutig in die Zukunft schauen.
So geht es, wenn man seine Klientel vergessen hat und nicht mehr versteht – und wenn man als Sprachrohr jener fungiert, die sich jetzt die Hände reiben, weil die Zeitungen zwar von einer »Zinswende« berichten, aber ihre Party ungestört weitergeht.
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